Der Anschluss, Rettung aus höchster Not?
Vor fast genau 70 Jahren, am 10. April 1938, stimmten 4,453.772 ÖsterreicherInnen (99,7 Prozent der Wahlberechtigten) für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Mit dieser nachträglichen „demokratischen“ Aktion wurde der Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 und die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten „legitimiert“. In unserer Serie zum Gedenkjahr 2008 befassen wir uns diesmal mit den Ereignissen im Jahr 1938.
Adolf Hitler erstattete am 15. März am Wiener Heldenplatz vor hunderttausenden begeisterten ÖsterreicherInnen die „größte Vollzugsmeldung“ seines Lebens: „Als der Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reichs melde ich vor der Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich.“ Noch zwei Tage vorher, am Sonntag, dem 13. März, sollte eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Österreichs stattfinden, initiiert von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg.
Hitler-Deutschland hatte wenig Mühe Österreichs wackelige Demokratie mit einem Streich auszuhebeln. Am 12. Februar hatte sich Kanzler Schuschnigg mit Hitler in Berchtesgaden getroffen. Unter Druck unterzeichnete Schuschnigg das so genannte "Berchtesgadener Abkommen".
Der Nationalsozialist Seyß-Inquart wird Innen- und Sicherheitsminister, Amnestie für politische Straftäter, u. a. für zirka 3000 Nationalsozialisten, wurde gewährt. Otto Habsburg appellierte am 17. Februar an Schuschnigg, ihm die Regierung in Österreich zu übergeben. Der Kanzler versuchte am 24. Februar noch das Ruder herumzureißen und erklärte im Bundestag: „Bis in den Tod rotweiß-rot! Österreich!“ Schuschnigg gelang es sogar, sich mit den Linken auszusöhnen, die 1934 in die Illegalität getrieben wurden.
Kommunisten und auch revolutionäre Sozialisten stellten sich in den ersten Märztagen kompromisslos hinter Schuschnigg. Am 9. März kündigte der Kanzler in Innsbruck die Volksbefragung an, hoffte auf seinen Verbündeten Mussolini und versuchte den Tirolern, aber auch ganz Österreich, mit dem Andreas-Hofer-Zitat „Mander, ‘s ischt Zeit“ Mut zu machen.
Das Ultimatum
Das war das Signal für Hitler zu handeln und stellte das Ultimatum, die Volksabstimmung bis 11. März um 14 Uhr abzusagen.
Schon eine Stunde vorher hatte der „Führer“ an SS-Chef Heinrich Himmler und die Wehrmacht den Befehl erteilt „… mit bewaffneten Kräften in Österreich einzurücken“.
In den nächsten Stunden überschlagen sich die (unblutigen) Ereignisse, Schuschnigg und auch Bundespräsident Wilhelm Miklas treten zurück und überlassen den Nationalsozialisten Österreich. Um 22.31 Uhr weht über dem Polizeipräsidium am Wiener Schottenring die Hakenkreuzfahne.
Am 12. März landete SS-Himmler und seine Truppe auf dem Flughafen Aspern und begann mit der Verhaftung der politischen „Gegner“, unter ihnen auch Leopold Figl, Adolf Schärf und Franz Olah.
Nicht nur hunderttausende huldigten dem „Führer“ auf dem Heldenplatz, auch die Kirche stimmte in das Jubelgeschrei über die „Befreiung“ ein. Kardinal Innitzer rief schon am 12. März die Katholiken der Erzdiözese Wien auf, „Sonntag, den 13., zu beten, um Gott dem Herrn zu danken für den unblutigen Verlauf der großen politischen Umwälzung und um eine glückliche Zukunft für Österreich zu bitten. Selbstverständlich möge allen Anordnungen der Behörden gerne und willig Folge geleistet werden“.
Kirchlicher Segen
Der neue Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates, Robert Kauer, begrüßte Hitler am 13. März 1938 „im Namen der mehr als 350.000 evangelischen Deutschen in Österreich als Retter aus fünfjähriger schwerster Not“. Und der Bischof und der Synodalrat der Altkatholischen Kirche „Deutschösterreichs“ erließen am 15. März die Verfügung, „im Kanon des heiligen Amtes von nun an die Fürbitte für unseren Führer Adolf Hitler einzufügen“.
Blickpunkt 216 vom 10. April