Energieautarke Gemeinde
Kaum sind die EM-Spiele in Klagenfurt vorbei, geht die Diskussion um die geplante Errichtung des Gasdampfkraftwerkes in Klagenfurt weiter. Selbst bei den Energiegesprächen Ossiach ‘08 wurde nachdrücklich vor der Abhängigkeit von Erdgas gewarnt. Wie es mit erneuerbarer Energie funktionieren kann, beweist seit Jahren bereits die „energieautarke“ burgenländische Stadt Güssing.
Wer kennt nicht das kleine gallische Dorf zu Zeiten von Asterix und Obelix im heroischen Kampf mit Julius Cäsar? Ein selbst zubereiteter Zaubertrank war die Basis der Unabhängigkeit von der Außenwelt.
Eine kleine südburgenländische Stadt trotzt im 21. Jahrhundert ebenso der (Energie)Außenwelt. Ihre Zauberformel ist die energetische Unabhängigkeit bei Strom, Wärme und Kraftstoffen von allen Energieversorgern.
Dieses Konzept löste einst großes Gelächter aus. „Das geht doch nicht“, war noch die harmlose Antwort der so genannten Experten. Heute ist die Stadt (Energie)unabhängig und hat noch zusätzlich viele 100 Arbeitsplätze dazu gewonnen. Die gesamte Wertschöpfung bleibt in der Region. Sie versorgt ihre Einwohner mittels Biomasse, Biodiesel und Solarenergie und wird dadurch noch zum Energieexporteur.
Diese Stadt heißt Güssing, hat 27.000 Einwohner und war 50 Jahre Grenzregion am Eisernen Vorhang zu Ungarn. Laut Statistik war diese Region 1988 die ärmste Region Österreichs.
Das Modell Güssing
Durch fossile Energiezukäufe gab es eine starke Kapitalabwanderung aus der Region. Die vorhandenen Ressourcen (mehr als 40 Prozent Waldanteil) wurden kaum mehr genutzt, was zu großen Durchforstungsrückständen in der Forstwirtschaft und zur Verödung der landwirtschaftlichen Flächen führte.
1990 gelang es im Gemeinderat von Güssing einen Grundsatzbeschluss zu erreichen: 100-prozentiger Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung – das Modell Güssing.
Zu den ersten Umsetzungsmaßnahmen für das „Modell Güssing“ gehörte die Erstellung eines Energiekonzeptes für die Stadt Güssing. Alle im Gemeindezentrum befindlichen Gebäude wurden energetisch optimiert. Die Ausgaben für Energie im Gemeindebudget konnten so beinahe halbiert werden.
Die ersten „Umwelterfolge“ gaben Ansporn am Konzept „Energieautarke Stadt“ konsequent weiterzuarbeiten. Eine Rapsöl-Biodieselanlage, zwei Biomasse-Nahwärmenetze in Ortsteilen von Güssing sowie die damals größte Biomasseanlage Österreichs wurden errichtet. Intensiv wurde auch am utopisch erscheinenden Projekt „Biomassevergasung aus Holz zum Zweck der Stromerzeugung“ gearbeitet.
Das weltweit einzigartige Projekt, das „Biomassekraftwerk Güssing“, erzeugt heute Strom und Wärme mit einer Wirbelschicht-Dampfvergasungstechnologie. Aufgrund der günstigen Eigenschaften des erzeugten Produktgases wird bereits an weiteren Anwendungsmöglichkeiten wie z. B. der Herstellung von Methan aus Holz, Benzin und Diesel aus Holz als auch am Einsatz von Brennstoffzellen gearbeitet.
Die derzeitige Jahresproduktion im „Biomassekraftwerk Güssing“ beträgt ca. 16 Gigawattstunden elektrischer Strom, ca. 36 Gigawattstunden thermische Energie.
Blickpunkt 221 vom 26. Juni 2008