Rassismus, NEIN danke!
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
"Wenn dieses Zitat von Albert Einstein stammt, dann muss es wohl aus einer Zeit stammen, in der er noch nicht erkannt hatte, dass das Universum nicht unbegrenzt ist. Heute wissen wir, dass sich das Universum ausdehnt und auch die menschliche Dummheit.
Es gab einmal eine Zeit, da hatte der Rassismus Hochkonjunktur. In den Geschichtsbüchern wird dieser Abschnitt auch als NS-Zeit oder Drittes Reich Einlass genannt.
Damit keine Missverständnisse auftreten können beschäftigen wir uns vorerst einmal mit dem Begriff „Rassismus“. Wikipedia versteht darunter: Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen – als sogenannte „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden. Die zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache – aber auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche – werden in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden. Mit solchen Rassentheorien, die angeblich wissenschaftlich untermauert sind, wurden und werden diverse Handlungen gerechtfertigt, die den heute angewandten allgemeinen Menschenrechten widersprechen.
„Vermessungsamt“
Welche Blüten diese Rassen-Ideologie im Dritten Reich trieb wurde Ende des letzten Jahres in einer Ausstellung in St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu öffentlich gemacht. Die Ausstellung hatte den vielsagenden Titel „Vermessungsamt“. Im Sommer 1938, kurz nach dem „Anschluss“, wurden rund 3200 Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger der „gemischtsprachigen Gemeinde“ St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu „rassenkundlich“ untersucht. Das waren in etwa achtzig Prozent der Bevölkerung. Eine Tatsache, von der Historikerinnen und Historiker bis vor Kurzem nichts wussten. Auch in der Gemeinde sprach niemand darüber – es gibt nur einen schriftlichen Bericht.
Micka Mischkulnik (geb. Košat, 1926 in Mühlbach/Reka) schreibt in ihren Lebenserinnerungen: „Ich weiß nicht genau – wahrscheinlich war das im Herbst 1938, als alle Gemeindebürger, Jung und Alt, in das Dorfgasthaus gehen mussten, wo einige Herren unsere Nasen vermaßen, die Augenfarbe bestimmten, Köpfe und Schädel vermaßen und feststellten, zu welcher Rasse beziehungsweise Kategorie man gehörte, ob man ein ‚nordischer‘, ‚dinarischer‘, ‚ostischer‘ oder ein anderer Typ war. Welchen Zweck das hatte, ist mir nicht bekannt. Vielleicht suchte man unter uns Juden oder war dies schon die erste Vorbereitung auf die Aussiedelung in die Ukraine.“ Auf jeden Fall ging es den Rassenkundlern darum, jeden Bürger und jede Bürgerin der Gemeinde in „plus“ (arisch) und „minus“ (nicht arisch) einzuteilen.
Die Unterlagen dieser Vermessungsaktion – Fotografien, Messdatenblätter – konnten im Archiv des Anthropologischen Instituts in Wien gefunden werden und wurden dort als kleine Sensation gewertet.
Rassismus und Bienen
Alles Schnee von gestern, oder? Die „braune“ Vergangenheit ist bewältigt, Rassismus existiert nur mehr in den Geschichtsbüchern. Das „Vermessungsamt“ gibt es leider auch noch heute in Kärnten. Dank eines „unausgegorenen“ Gesetzes, dem Kärntner Bienenwirtschaftsgesetz Gesetz vom 5. Juli 2007 über das Halten und die Zucht von Bienen (Kärntner Bienenwirtschaftsgesetz, K-BiWG) StF: LGBl Nr 63/2007, dürfen in ganzen Bundesland nur mehr Bienen der Rasse Carnica fliegen. Wer Bienen anderer Rassen hält, muss sie „umweiseln“, bei seinen Bienenstöcken, die nicht den engen Rassenbestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Königinnen durch eine Carnica Rassekönig ersetzen. Dies hört sich in der Theorie recht gut an, doch die Praxis hat bewiesen, dass bereits ein Jahr nach einer erfolgten „Zwangsumweiselung“, die Bienen wieder nicht dem Rassengesetz entsprachen, da sich weder die Bienenkönig bei ihrem Hochzeitsflug noch die Drohnen bei der Begattung an die Rassenvorschriften halten. Kein Wunder also, dass das Ki-BiWG ganz Kärnten zum Carnica Reinzucht machen will, ungeachtet der geografischen und biologischen Rahmenbedingungen.
Kärntner Bienenkrieg
Um den Kärntner „Bienen-Rassenkrieg“ zu verstehen muss man wissen, dass bei der Gesetzwerdung die Argumente der Erwerbsimker, sie betreiben die Honigproduktion aus wirtschaftlichen Gründen und leben davon, nicht berücksichtig wurden, die weiter mit ihren Wirtschaftsbienen Imker wollen ungeachtet welcher Rasse sie angehören. Ein Blick auf die Kärntner Imkerlandschaft zeigt, dass von den über 3.000 Imkern nur ein Prozent Erwerbsimker sind (Quelle: Agrarinformationstag 2016, Bericht der Amtssachverständigen des Landes DI Barbara Kircher, Abteilung 10 Land- und Forstwirtschaft). Rein rechnerisch ist völlig klar, dass die sich in klarer Minderheit befindlichen Profiimker, sie stammen hauptsächlich aus dem Lavanttal, gegen die Mehrheit der „Vollamateure“, der sogenannten Freizeitimker, nicht durchsetzen konnten und können.
Seit in Kraft treten des Gesetzes und dem Ablauf einer Übergangszeit, in der die Erwerbsimker verpflichtet wurden, den gesetzmäßigen Zustand in der Rassenfrage herzustellen, kam es zu einigen Verwaltungsverfahren und Urteilssprüchen durch das Landesverwaltungsgericht. Nun ist das Gesetz in der Vollstreckungsphase, die ganze Sache bekommt strafrechtliche Relevanz. Dazu werden Bienenkontrollen vorgenommen, hauptsächlich bei den Lavanttaler Imkern, die das Gesetz seit Jahren bekämpfen.
Rassenfeststellung
Wie geht nun eine solche Rassenfeststellung vor sich. Als Beispiel nehmen wir die „Amtshandlung“ beim Obmann des Landesverbandes für zukunfts- und erwerbsorientierte Imkerei in Kärnten Franz Offner aus Siegelsdorf ablief. Über seinen Anwalt hat Franz Offner, sowie andere betroffene Imker auch, im Vorfeld einige Rahmenbedingungen reklamiert wie die rechtzeitige Information, wann die Kontrolle durchgeführt wird, wer namentlich diese Überprüfung vornimmt, nach welcher Methode die Rassenzugehörigkeit bestimmt wird und dass für eine Gegenprobe auch ein unabhängiges Institut beauftragt werden darf.
Kontrolliert wurde bei den Bienenständen die Franz Offner betreut nach der Morphometrie von Prof. Dr. Friedrich Ruttner, wobei vier Merkmale, nämlich Panzerfarbe, Filzbindenbreite, Haarlänge und Cubitalindex überprüft werden, welche kumulativ vorliegen müssen, um dem definierten Rassenstandards einer Carnica-Biene zu entsprechen. Obwohl schon im Vorfeld Franz Offner über seinen Anwalt die Bezirksbehörde davon in Kenntnis setzte, dass er die Kontrollorgane für befangen hält, da sie seiner Meinung nach der Carnica-Fraktion angehören – auch die Amtssachverständige DI Barbara Kircher – wurde die Überprüfung von diesen durchgeführt. Mit dabei waren, zumindest am Anfang der zweitägigen Kontrolle, auch der Wolfsberger Bezirkshauptmann Mag. Georg Fejan und die Bereichsleiterin der Abteilung Bau- und Umweltwesen/Forstwirtschaft Mag. Margot Gutschi.
Franz Offner öffnete die Bienenstände und die Sachverständigen fotografierten die Bienen, machten eine Sichtkontrolle und wählten nach der Panzerfarbe die näher zu untersuchenden Bienen für eine weitere Rassenbestimmung aus. Dass dabei sich die Sachverständigen inklusive der Amtssachverständigen nicht immer an die gesetzlich vorgeschriebene Neutralität und Unbefangenheit hielten, wurde vom Bezirkshauptmann und der Bereichsleiterin nicht bemerkt, wohl aber von anwesenden Zeugen.
NS-Rassenhygieniker Ruttner
Geprüft wurde, wie schon erwähnt nach der Morphometrie von Prof. Dr. Friedrich Ruttner (1914 – 1998). Wie aus den Protokollen des Landesverwaltungsgerichtes hervorgeht ist die Amtssachverständige DI Kircher der Überzeugung „die Rassebestimmung nach Ruttner sei die derzeit gängige und der Wissenschaft entsprechende Methode, um Rassenfeststellungen durchzuführen“. Dass Dr. Friedrich Ruttner nachweislich NSDAP-Mitglied war, der SA und der SS angehörte und im Dritten Reich als Rassenhygieniker arbeitete unter anderem Fachartikel in „Der Leibarzt“, der Fachzeitschrift des Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik verfasste und seine Basismorphologie zur vermeintlichen Feststellung einer Bienenrasse vom Nazi-Ideologen und Reichskörmeister Gottfried Goetze (1898 – 1965) „erfunden“ wurde, wird ignoriert.
Exkurs Gottfried Goetze (von Dr. Rainer Stripf)
Rassenideologie
„Was nicht Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu!“ So lautete der Titel eines Aufsatzes des mächtigen Reichskörmeisters Gottfried Goetze aus dem Jahr 1942, mit dem er eine Textstelle Adolf Hitlers in „Mein Kampf“ (1. Band, Kapitel 11, Volk und Rasse) zitierte und somit den ideologischen Schulterschluss mit dem NS-Regime demonstrierte. Auch wenn es sachliche Gründe für Reinzucht in der Bienenzucht gab und die zeitbedingten Forschungsergebnisse berücksichtigt wurden, die in Kap. 12.4.8 näher ausgeführt sind, rückte der Zuchtgedanke in der deutschen Imkerei deutlich in die Nähe der rassischen Blut-und-Boden-Lehre des Nationalsozialismus. Nach Goetze konnte die „Deutsche Königinnenzucht“ als „Eigentum aller deutschen Imker“ erst nach 1933 entstehen. Die generalstabsmäßige Durchplanung des Bienenzuchtwesens erreicht 1942 über 400 Reinzuchtbelegstellen und etwa 600 Gebrauchszuchtbelegstellen mit über 50 geschulten Körmeistern. Mit Goetze beflügelte ein „neuer Leitgedanke“ seit der Machtergreifung die Bienenzucht: „Es ist der Gedanke, der heute den ganzen Nährstand trägt, der in den beiden Worten beschlossen ist: Blut und Boden. Wir haben die Macht der Vererbung erkannt und uns zu einer neuen Wertschätzung des Rassischen im Gesamtbereich alles Lebendigen durchgerungen. Wir haben ferner eingesehen, dass nur solches Leben wertvoll ist, nur solche Rasse sich durchsetzt, die schollenge-wachsen, heimatverbunden, ganz kurz gesagt gesund ist. In das Bienenzüchterische übertragen: Wir verfolgen den Gedanken bodenständiger Reinzucht.“ Goetze war der Auffassung, dass die Reichsfachgruppe Imker eine „straffe, organisatorische Zusammenfassung unseres Willens in einem einheitlichen Willenträger“ bot. Körperliche Merkmale wurden als brauchbare und willkommene Maßstäbe für die Bienenzucht in Verbindung mit der Leistung angesehen: „Rasse ist Rasse, und zwar gleichermaßen im Äußeren wie im Inneren. Und, was nicht Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreuʻ“.(Exkurs Ende).
Bis vor Kurzem war die NS-Vergangenheit von Dr. Friedrich Ruttner auf Wikipedia nicht zu finden, das hat sich in den letzten Monaten geändert. Im Bundesarchiv Berlin (Personenbezogene Unterlagen der SS und SA) wurde ein handschriftlicher Lebenslauf und u. a. auch der abermalige Antrag auf Aufnahme in die NSDAP entdeckt.
Ebenso ignoriert wird von den Bienenrassen-Kontrolloren des Landes die Tatsache, dass Ruttner selbst schon 1953 die Unzulänglichkeit der Morphometrie für die praktische Bienenzucht erkannte und zwar in seiner Arbeit über den Cubitalindex in Kreuzungsversuchen.
Womit wir wieder beim „Vermessungsamt“, der Vermessung von Menschen und Tieren zum Zweck der Bestimmung der Rassenzugehörigkeit wären. Wie sehr sich doch die Ereignisse im Sommer 1938 und im Sommer 2019 ähneln. Damals wurden Menschen vermessen, heute Bienen – Rassismus, nein danke!
Pamphletius
Weiterführende Literatur: „Die Bienenzucht in der völkisch-nationalistischen Bewegung“, genehmigte Dissertation von Dr. rer. nat. Rainer Stripf, Pädagogische Hochschule Heidelberg 2018