"Zappel-Philipp"
Wenn in wenigen Tagen die Schule wieder beginnt, werden sich Eltern und Lehrer wieder mit „Zappel-Philipp“ und „Hans-guck-in-die-Luft“ herumschlagen müssen, mit „hyperaktiven“ und lernschwachen Kindern. Grund für dieses auffällige Verhalten von Kindern könnte aber das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität sein.
Beim Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) mit/ohne Hyperaktivität handelt es sich um eine angeborene und vererbbare Impulssteuerungs- und Reizfilterschwäche bei normaler, häufig auch überdurchschnittlicher Intelligenz.
Die aktuell im deutschen Sprachraum verwendete Bezeichnung für das Krankheitsbild lautet ADHS, was Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung heißt und aus dem amerikanischen Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) übersetzt wurde. Die Bezeichnung soll deutlich machen, dass es sich primär um eine Aufmerksamkeitsstörung handelt und die Hyperaktivität je nach Ausprägung hinzukommen kann oder nicht.
Aufmerksamkeit – das ist das vorrangige Problem dieser Kinder. Oft werden in diesem Zusammenhang Figuren aus dem „Struwwelpeter“ von Dr. Heinrich Hoffmann genannt.
Literarisches Vorbild für ein aufmerksamkeitsgestörtes Kind wäre danach etwa der stets verträumte und der Realität entrückte „Hans-guck-in-die-Luft“.
Motorische Unruhe
Die umgangssprachlich oft namensgebende Hyperaktivität , die gesteigerte motorische Unruhe gehört nicht in jedem Falle zum Krankheitsbild. Doch gibt es sie natürlich auch und sie fallen schneller ins Auge: Jene Kinder, bei denen zum Aufmerksamkeitsproblem noch die Hyperaktivität hinzukommt, anschaulich etwa verkörpert durch Heinrich Hoffmanns „Zappel-Philipp“ oder gar den wilden Friederich, der bekanntlich ein arger Wüterich war, womit die für das Krankheitsbild ebenfalls kennzeichnende Impulsivität und im Falle des Friederich darüberhinaus eine Störung des Sozialverhaltens angesprochen ist, die häufig als Folgeproblematik einer hyperaktiven Störung auftritt, speziell, wenn sie lange unerkannt geblieben ist.
Schulversager
Nicht alle Kinder mit ADS leiden auch an Hyperaktivität, besonders Kinder mit ADHS ohne Hyperaktivität werden selten diagnostiziert, weil sie weniger störend auffallen als Kinder, die auch das Merkmal der Hyperaktivität aufweisen. Sie bleiben häufig ausgeschlossen, werden Schulversager, entwickeln ein schlechtes Selbstvertrauen und neigen zu Depressionen.
Mädchen sind von dieser Ausprägung häufiger betroffen als Buben, während es insgesamt mehr Buben mit Hyperaktivität gibt als Mädchen.
Die sozialen Auswirkungen von ADS stellen für betroffene Kinder, Jugendliche und deren Familien das größte Problem dar. In den prägendsten Jahren der Kindheit sind die Kinder oft ungerechtfertigter Kritik, Kränkungen, moralisierenden Vorwürfen und Bestrafungen ausgesetzt, weil ihr erzieherisches Umfeld aus Unwissen von vorsätzlichem Fehlverhalten, Dummheit und/oder Faulheit ausgeht.
ADS ist keine Krankheit, aber wenn der Verdacht besteht, sollte immer ein kompetenter Arzt hinzugezogen werden, der sich mit der Diagnostik bzw. der Therapie bei ADS auskennt.
Wenn das ADS nicht richtig diagnostiziert und behandelt wird, führt es meistens zu erheblichen seelischen, sozialen und schulischberuflichen Problemen wie Schulversagen, sozialem Scheitern und familiären Tragödien.
Blickpunkt 202 vom 30. August 2007