Das Ende der ewig gestrigen Wechseltaktik
Die 8. Europameisterschaft der Herren war für mich der Wendepunkt in Sachen „moderner Handball“. Endlich hat auch ein überregionales Handballevent bewiesen, dass Handball eine Schnelligkeitssportart ist. Jener Mannschaft, der es gelingt, auch im Rahmen eines EM-Turniers das Schnelligkeitsniveau bis zum Schluss aufrechtzuerhalten, wird ganz vorne stehen.
In den Welt- und Europameisterschaften zuvor konnten sich noch jene Mannschaften in den Vordergrund spielen, welche die besseren „Grundsieben“ hatten bzw. den einen oder anderen „Joker“ aus dem Ärmel zaubern konnten.
Konsequente Wechsel
Europameister Dänemark hat aufgezeigt, wohin sich der Handball entwickelt. Tempo von der ersten bis zur letzten Minute, auch in der Verlängerung, kaum mehr taktische Bremsen um das Spiel zu verzögen. Den Gegner einschläfern und mürbe machen zählt nicht mehr zu den obersten taktischen Mittel. Ulrik Wilbek ist an Trainer Dänemarks seinen Weg, den er bei der WM 2008 eingeschlagen hat, weitergegangen. Konsequent wurde auf allen Positionen gewechselt und zwar nicht nach spieltechnischen Gesichtpunkten sondern einzig und allein nach körperlichen Parametern. Das gezielte Setzen der Erholungspausen für die Spieler führte dazu, dass die Dänen ihr Schnelligkeitsniveau bis zum Titelgewinn durchhalten konnten.
Da hatten sogar die handballerisch wesentlich besseren Kroaten und Franzosen das Nachsehen. Claude Onesta (Frankreich) und auch Lino Cerva (Kroatien) werden schön langsam umdenken müssen, wenn sie nicht den Anschluss an den modernen Handball skandinavischer Prägung verlieren wollen. Kroaten und Franzosen vertrauten viel zu viel auf ihre, im Laufe des Turniers, wegen der hohen Belastung immer langsamer werdenden „Stammsieben“ und wurden von den spritzigeren Dänen überrannt.
Skandinavische Tugenden
Wie man die dänische Dampfwalze in Wanken bringen kann zeigten allein die Norweger vor, die ebenfalls diese schnelle Spielweise beherrschen und auch häufiger wechselten als die Konkurrenten. Überhaupt war diese EM eine kleine Wiedergeburt der skandinavischen Mannschaften die mit dem Heimvorteil im Rücken, auch ihre Tugenden bezüglich körperbetontes, schnelles und auch schnörkelloses Spiel beeindruckend demonstrierten.
Schnelligkeit bis zum Schluss
Das beste der Finalspiele war daher die Partie um Platz fünf zwischen Schweden und Norwegen, welches das junge schwedische Team nach der zweiten Verlängerung mit 36:34 gewann.
Die EM hat aber auch gezeigt, dass der deutsche Handball ebenfalls in eine Krise geschlittert ist. Die knappe 25:26 Niederlage gegen Dänemark im Semifinale mag zwar vom Ergebnis her hinwegtäuschen, aber der Arbeiter-Handball hat wenig Zukunft.
Es hat Zeiten gegeben, da stand in der österreichischen Eishockey Bundesliga ein Spieler fast die komplette Spielzeit auf dem Eis. Viele werden sich sicherlich an diesem Ausnahmespieler Rick Cunningham (VSV, WEV) erinnern. Erst viel später erkannte man in Österreich, das Eishockey eine Schnelligkeitssportart ist, die Linien mittlerweile im 30 Sekunden-Rhythmus wechseln, um das Schnelligkeitsniveau bis zur Schlussminute halten zu können.
Umdenken
Bleibt abzuwarten bis Österreichs Handballtrainer erkennen, dass auch Handball eine Schnelligkeitssportart ist und in Zukunft nur mehr jene Mannschaften erfolgreich sein werden die diesen Anforderungen gerecht werden. Einen Spieler so lange auf dem Spielfeld stehen zu lassen bis er „blau“ ist, ist kontraproduktiv. Nur wer ständig wechselt kann das Schnelligkeitsniveau bis zum Schlusspfiff halten. Dass dazu auch die Trainingsinhalte und Trainingsplanungen abgestimmt werden müssen ist wohl klar. Aber so lange Coopertests, Kraftübungen und Trainingseinheiten ohne Ball am Trainingsalltag stehen wird sich nichts ändern.