Muß der Darm zum Psychiater?
Schon der antike griechische Philosoph Platon stellte vor fast 2.500 Jahren fest, „der große Fehler bei der Behandlung von Krankheiten ist, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die Seele gibt, wo beides doch nicht getrennt werden kann“. Der traditionellen Schulmedizin ist leider diese unnatürliche und widersinnige Trennung geglückt. Die fachärztliche, an Organen orientierte Medizin hat dafür gesorgt, dass es noch immer nicht gelungen ist den ganzheitlichen Ansatz in der Medizin zu verankern. Ganzheitlich heißt zu akzeptieren, dass der Mensch nur als Einheit von Körper, Geist und Seele zu sehen und auch zu therapieren ist.
Nachweis steht im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt der modernen Medizin, gemeint ist die Schulmedizin und nicht die Meta-Medizin, steht der Beweis und nicht der Mensch.
Die nachweisorientierte Medizin (evidence-based medicine) fordert, dass bei jeder medizinischen Behandlung, patientenorientierte Entscheidungen ausdrücklich auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden. Erst wenn diese große, randomisierte, kontrollierte, klinische Studie vorliegt wird fachärztlich ge- und behandelt. Egal ob dabei der Mensch, als Individuum auf der Strecke bleibt oder nicht.
Da mit diesem Ansatz wiederholt viel „Mist“ gebaut wurde, da weder auf das Individuum noch auf die schon von Platon hingewiesene Ganzheitlichkeit des menschlichen Wesen Rücksicht genommen wurde und wird, wurde in den letzten Jahren von einigen alternativen Ärzten das biopsychosoziale Modell entwickelt. Diese human-based medicine, orientiert sich am Menschen als Individuum, der nicht trennbaren Einheit von Körper, Geist und Seele.
Selbst Quantenphysiker müssen immer wieder zugeben, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die (derzeit) nicht exakt gemessen, bestimmt und analysiert werden können, weil die möglichen Querverbindungen (noch) nicht erkannt werden können bzw. auch nicht danach gesucht wird.
Wiederentdeckung des zweiten Gehirns
In letzter Zeit hat sogar in der Schulmedizin die Neurogastroenterologie für Aufregung gesorgt. Hinter diesem fast unaussprechlichen Wort steht die Tatsache, dass der Mensch ein zweites Hirn hat, das Bauchhirn. Überspitzt formuliert müsste es eigentlich heißen, der Darm ist ein Organ für die Psychiater. Der Magen- und Darmtrakt, und das ist seit Jahrhunderten bewiesen, beherbergt die größte Ansammlung von Nervenzellen außerhalb des Zentralnervensystems. Dieses zweite Gehirn steuert die Verdauungstätigkeit unabhängig vom Hirn, oder kennen Sie jemanden, der seine Verdauung willentlich steuern kann?
In der Darmwand verborgen liegen zwei Schichten mit über 100 Millionen Nervenzellen, welche den gesamten Verdauungstrakt netzartig umgeben. Diese Nervenzellen entscheiden unabhängig vom Gehirn was mit der aufgenommen Nahrung passiert, ob sie abgewiesen wird (Erbrechen), angenommen wird (Verdauung) oder schnell wieder ausgeschieden wird (Durchfall). Schon bei den Neugeboren entscheidet in den ersten Lebenswochen ausschließlich das Bauchhirn, es sorgt für das Hungergefühl und für die Verdauung bevor überhaupt das Gehirn in der Lage ist das Kommando übernehmen.
Entwicklungsgeschichtlich ist das Gehirn ein Teil des Verdauungstraktes, der sich im Laufe der Evolution mehr oder weniger selbstständig gemacht hat, ohne jemals die Unabhängigkeit vom Magen und Darm zu erlangen. Das oft zitierte Bauchgefühl, das Bauchhirn, ist biologisch intelligenter, da es nicht dem Willen und damit gesellschaftlichen Zwängen untergeordnet ist.
Evolution des Darms
Bei „niederen“ primitiven Tieren besteht das Nervensystem ausschließlich aus einem Bauch-Nervenstrang wie zum Beispiel beim Regenwurm. In regelmäßigen Abständen enthält dieser Bauch-Nervenstrang Ganglienpaare. Das erste, etwas größer ausgebildete Ganglienpaar hat die Aufgabe der optimalen Koordination von Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme. Die übrigen Ganglienpaare haben die Funktion die aufgenommene Nahrung zu verdauen und zum Ausgang zu transportieren. Dieses alte „Darmnervensystem“ hat die Evolution überlebt und findet sich in allen Lebewesen dieser Erde wieder, so auch im Menschen. Zwar entwickelte sich das Gehirn im Laufe der Evolution äußerst dominant, wie wir ja am Menschen leicht erkennen können, dennoch das Darmnervensystem, das „enterale“ Nervensystem, blieb immer selbstständig mit einem bislang ungeahnten Grad an Eigenorganisation.
Das Leben sitzt im Darm
Naturheilkundler behaupten zwar der Tod sitzt im Darm, doch ich bevorzuge die positive Sichtweise, ein gesundes Leben hängt von einem funktionierenden Darm ab. Bis zu 50 Tonnen Nahrung und ca. 50.000 Liter Flüssigkeit hat der Darm im Laufe eines Menschenlebens zu bewältigen. Das Bauchhirn steuert unabhängig vom Gehirn den Durchlauf durch den Körper vom Magenausgang bis zum Darmausgang. Millionen von chemischen Substanzen müssen während des Verdauungsvorganges analysiert, abertausende Giften neutralisiert werden, die Nährstoffe aus der Nahrung herausgefiltert und für die Aufnahme durch die Blutgefäße vorbereitet werden und schließlich durch die Ausscheidungsmechanismen auch entsorgt werden. Obwohl der Darm von sich aus Schwerstarbeit zu verrichten hat werden wir Menschen nicht Müde mit unserer modernen Lebensweise, dem Darm noch zusätzliche Arbeit aufzubürden durch die Zufuhr von Genussgiften wie Alkohol, Nikotin oder Koffein, aber auch durch Medikamente und Impfungen.
Psyche und Verdauung
Es ist allerdings nicht so, dass das Darmhirn nicht mit dem Gehirn kommuniziert, doch sind die Kommunikationswege nicht gleichwertig. Neun von zehn Botschaften gehen vom Bauch zum Kopf.
Über den Darm und das Bauchhirn lernt der Mensch als Säugling die Umwelt kennen die Wechselwirkung zwischen Psyche und Verdauung, kann daher schlecht geleugnet werden, wie auch zahlreiche geflügelte Worte beweisen. Schmetterlinge im Bauch haben, Dinge die einem schwer im Magen liegen, angefressen sein, es satt haben, all diese Phrasen zeugen von einer direkten Verbindung zwischen Kopf und Bauch, zwischen Psyche und Verdauung. Wenn man vor Angst und Hemd macht, einem speiübel wird Gefühle beeinflussen Darm – und Magenfunktionen. Selbst die Magensaftproduktion unterliegt psychischen Einflüssen, wenn uns etwas sauer aufstößt, die sprichwörtliche Wut im Bauch sich als Sodbrennen bemerkbar macht.
Untersuchungen in letzter Zeit haben eine hohe Komorbidität zwischen funktionellen Magen- und Darmstörungen und psychischen Erkrankungen aufgezeigt, das heißt viele Erkrankungen des Verdauungsapparates treten signifikant oft Hand in Hand mit psychischen Krankheitsbildern auf. Wissenschaftlich abgesichert ist, dass psychischer Stress funktionelle Magen- und Darmkrankheiten auslösen kann.
Die Neurogastroenterologie ist eine junge Wissenschaft die noch in den Kinderschuhen steckt. Doch sie ist ein ganzheitlicher Ansatz, ein erster Schritt zur „human-based medicine“, in der die Nachweismedizin einen schweren Stand hat. Allein das Erkennen der Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Seele könnte den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Medizin rücken und nicht die äußerst fragwürdigen doppelt blind, zufällig und placebokontrolliert durchgeführten schulmedizinischen Beweisführungen.
Alzheimer und Parkinson
Die Neurogastroenterologie kann den direkten Zusammenhang zwischen Bauch und Kopf herstellen und auch beweisen, dass das Gehirn einst ein Teil des Verdauungsapparates war und beide über identische Nervenzellen verfügen und auf einen gemeinsamen Ursprung zurück gehen. Es gibt eine Darm – Hirn Achse. Die hohe Signifikanz zwischen degenerativen psychischen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson und funktionellen Magen- und Darmkrankheiten müsste selbst Schulmedizinern zu Denken geben. Doch es scheitert in der Praxis an der eindeutigen Feststellung eines eventuellen Vitamin B12 Mangels bzw. am Erkennen, dass viele ältere Menschen nicht in der Lage sind Vitamin B12 im Darm zu resorbieren. Das für das Nervensystem so wichtige Vitamin B12 braucht nicht nur das Gehirn sondern auch das Bauchhirn im Darm.