Keine Chance für Schönwetterkapitäne
„Die Tourismusbranche, und das belegen zahlreiche Analysen, spürt Krisen immer erst sechs bis acht Monate später, dafür dauern sie auch länger,“ beschreibt der Villacher Tourismus-Experte Dr. Manfred Kohl, Geschäftsführer der international tätigen Tourismusberatungsagentur Kohl&Partner die momentane Lage auf den Sektoren Reisen, Freizeit und Urlaub. „Für uns zählen allein die Fakten und nicht irgendwelche Prognosen. Durch die täglichen Rückmeldungen unserer Berater vor Ort haben wir ein genaues Bild von den Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise auf die Tourismuswirtschaft.“ Ein vorsommerliches Gespräch rund um Angstmacherei, Schönreden, Jammern, Folgen und Chancen in der Krise.
Hat die Krise den Tourismus schon erreicht, oder müssen wir noch mit Schlimmeren rechnen?
Dr. Kohl: Ich kann das Wort Krise schon gar nicht mehr hören, aber eines ist sicher richtig, die Tourismuswirtschaft wird sich auf das geänderte Konsumverhalten der Gäste einstellen müssen. Massive Umsatzeinbrüche im Kärntner Tourismus sind erst in der kommenden Wintersaison, speziell durch das Ausbleiben der ungarischen Gäste und im Sommer 2010 zu erwarten. Die ersten Anzeichnen waren allerdings schon in diesem Winter beobachtbar. Viele Schihütten verzeichneten Umsatzrückgänge, aber der Cash-Flow ist der gleiche geblieben.
Wie ist das zu erklären?
Dr. Kohl: Ganz einfach. Die Wintergäste haben nicht weniger, dafür aber billiger konsumiert. Würstel mit Pommes und Schiwasser waren die Renner der Saison. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten drei bis vier Jahren der Gast nicht mehr so lange bleiben wird wie bisher und dazu auch weniger ausgeben wird. Doch auch nach dem Ende des Wellentals wird es die Tourismusbranche nicht leicht haben, denn dann müssen preis- und serviceverwöhnte Gäste zufrieden gestellt werden. Schon jetzt haben Wiens bessere Häuser mit Preisnachlässen reagiert und bieten Fünf-Stern-Service zum Preis von Vier-Stern und Vier-Stern-Service zum Preis von Drei-Stern an. Speziell gehobene Gastronomie- und gehobene Beherbergungsbetriebe, das Luxus-Segment, wird hart zu kämpfen haben. Kämpfen müssen letztlich alle touristischen Betriebe, denn wer jetzt den Kopf hängen lässt, der hat schon verloren.
Wie kann man gegen dieses wirtschaftliche Wellental ankämpfen?
Dr. Kohl: In so genannten Krisenzeiten ist Führung gefragt. Schönwetterkapitäne haben in diesen stürmischen Phasen keine Chance, da muss man schon das Ruder in die Hand nehmen und gegensteuern, damit das Schiff nicht führungslos im Sturm treibt. Jetzt kommen die Managementfehler der vergangenen Jahre an die Oberfläche, die Schwachstellen in den einzelnen Betrieben werden sichtbar. Zyklen sind auch in der Wirtschaft das Normalste auf der Welt, warten bis das Gewitter vorbei ist kann aber sehr gefährlich werden. Leadership ist angesagt. Das beginnt mit Führungsaufgaben wie Mitarbeiter-Motivation. Wenn ein Kellner oder ein Masseur den Kunden von der Krise vorjammert, dann ist das kontraproduktiv. Die Tourismuswirtschaft verkauft die „pure Lust am Leben“, da ist Jammern strengstens verboten. Ich empfehle unseren Kunden die Sprachregelung, die Krise nicht zu leugnen aber keine Krisenstimmung aufkommen zu lassen. Die Gäste wollen schließlich sich im Urlaub eine Auszeit von der Krise nehmen.
Gibt es überhaupt Einsparungspotentiale?
Dr. Kohl: Kurzarbeit oder Einschränkungen der Serviceleistungen sind im Tourismus nicht möglich, da schaufelt sich der Betrieb sein eigenes Grab. Dennoch muss auch ausgabenseitig etwas getan werden, aber ohne Qualitätsverlust. Da gehören alle Ressourcen ausgenutzt. Ich denke da zum Beispiel daran, dass alle Email-Anfragen innerhalb einer Stunde beantwortet werden, das Personal speziell auf Verkauf und Animation geschult wird. Auch in der Küche kann gespart werden. In einem Gespräch mit einem Küchenchef habe ich gefragt ob es möglich wäre, pro Tag, pro Gast und pro Mahlzeit einen Euro einzusparen, ohne die Qualität zu gefährden. Seine Antwort war ein klares ja. Es geht um den möglichst ökonomischen Einsatz aller Ressourcen. Nicht zu vergessen ist auch ein Plan B, den Betriebe unbedingt haben sollten. Bis zu einem Minus von zehn Prozent an Plan A festhalten, das heißt Ausnutzung aller Möglichkeiten ohne Personal auf die Straße zu setzen, und Plan B bei einem Rückgang von über zehn Prozent wird man um Personaleinsparungen nicht herumkommen.
Kann mit neuen Märkten der Gästeschwund aufgehalten werden?
Dr. Kohl: Natürlich werden die nahen Märkte immer attraktiver. Aber die Hoffnung auf den deutschen Gast ist trügerisch. Auch der deutsche Gast will Kosten sparen, billigeren Urlaub machen. Und beim Preisvergleich zwischen Österreich und einer Flugdestination in der Türkei haben wir die schlechteren Karten. Schon jetzt ist ein Rückgang im Business-Tourismus beobachtbar und der Städtetourismus hat allein in Wien im letzten Monat ein Minus 15 Prozent eingefahren. Der ehemalige Ostblock bricht ebenfalls weg. Die Geldabwertung in Ungarn von minus 30 Prozent wird im kommenden Winter schlagend werden. Einer der wenigen Stabilen Faktoren ist der Inlandtourismus, er wird dafür sorgen, dass die Rückgänge im Sommer in erträglichen Rahmen bleiben sollten. Wer sich im härter werdenden Wettbewerb auf die alleinige Hilfe von Außen verlässt, wie die Österreich Werbung, der ist schlecht beraten, den steinigen Weg durch das Wellental muss jeder Betrieb selbst gehen, er kann dabei nur auf sich schauen. Denn eines wird die Krise sicher bewirken, es wird einen blutigen Verteilungskrieg geben, der dazu führt, dass wirtschaftlich schlecht aufgestellte und im Management unflexible Betriebe von der Krise mitgerissen werden, die gut aufgestellten werden mit einem blauen Auge davonkommen.
Dr. Manfred Kohl ist Geschäftsführer der Kärntner Tourismusberatungsfirma Kohl & Partner in Villach. Kohl&Partner ist international tätig und hat Außenstellen in Wien, München, Stuttgart, Sofia, Bukarest, Budapest und Gais nahe Bruneck in Südtirol.