Gefahr für Rechtsstaatlichkeit
Georg Wurmitzer, einst Landesrat und Landesparteiobmann der ÖVP, ist schon immer ein politischer Mensch gewesen. Als Lehrervertreter, Bürgermeister, Abgeordneter zum Landtag und Nationalrat war er über 40 Jahre politisch aktiv. Der bald 65-Jährige, aus Albeck stammende Lehrer, macht sich auch ohne öffentliches Amt Gedanken über die Politik und das Demokratieverständnis. Ein Interview von Gerhard Klinger.
Herr Wurmitzer, Du bist jetzt „nur“ mehr Obmann der gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft Kärntnerland, hast Du der Politik endgültig ade gesagt?
Wurmitzer: Aus dem tagespolitischen Geschäft habe ich mich total zurückgezogen. Dennoch beobachte ich sehr interessiert die Entwicklung, welche die Politik in der letzten Zeit genommen hat. Da ich aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung die Politik ganz gut kenne, auch das, was sich im Hintergrund abspielt, habe ich eine Entwicklung beobachten können, die mir ganz und gar nicht gefällt.
Aus persönlicher oder parteipolitischer Sicht?
Wurmitzer: Meine Sichtweise ist nicht parteipolitisch und auch nicht persönlich gefärbt, ich habe erkennen müssen, dass die Demokratie immer mehr im Kern ausgehöhlt wird. Hohe und höchste Repräsentanten des Staates sind nicht mehr bereit Entscheidungen von höchsten Organen zu respektieren, Entscheidungen, die von ordnungsgemäß gewählten politischen Organen und Gerichten getroffen wurden.
Konkret ...
Wurmitzer: ... konkret möchte ich drei Dinge ansprechen, das Pflegegesetz, den Fall Arigona Zogaj und die Kärntner Ortstafelproblematik. Ein vom Nationalrat mit Mehrheit beschlossenes Gesetz, wie das neue Pflegegesetz, sollte eigentlich von allen gewählten Autoritäten Österreichs anerkannt werden. Es gab keine neuen Erkenntnisse. Schon vorher ist man sich der Problematik bewusst gewesen. Die Notwendigkeit der Pflege war kein Geheimnis, auch nicht, dass die Kosten dafür steigen würden und dass zu wenig heimisches Personal dafür da ist. Das, was im Nachhinein stattfand, die Legalisierung von strafbaren Tatbeständen, ist für einfache, rechtsgläubige Menschen unverständlich und muss für Staatsrechtler alarmierend sein.
Ebenso wie im Asylverfahren von Arigona Zogaj?
Wurmitzer: Bundespräsident Fischer ist der oberste Hüter unserer Verfassung, er ist darauf vereidigt worden, die Gesetze und höchstgerichtlichen Urteile einzuhalten. Er hätte zu akzeptieren, dass, wenn alle Instanzen in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgeschöpft sind, das Letzturteil auch für einen Bundespräsidenten gilt. Dass in Kärnten der Landeshauptmann und seine Partei das Ortstafelgesetz nicht vollziehen, möchte ich nicht extra kommentieren. Auch die Politik und ihre Repräsentanten haben sich an Gesetzte zu halten und Höchstgerichtsentscheidungen zu respektieren und anzuerkennen, sonst drohen Anarchie und Willkür.
Was hast Du noch beobachtet?
Wurmitzer: Die zunehmende „Verpolitisierung“ der Gesellschaft in Kärnten schreitet wieder voran. Waren es früher Leopold Wagner und seine Genossen, die Sport und Kultur für ihre parteipolitischen Machtansprüche total vereinnahmt haben, so sind es heute die Orangen, die selbst vor den Einfärbungen von Straßenbauten nicht Halt machen. Die Ereignisse rund um die posthume Kulturpreisverleihung an Dietmar Pflegerl und der SK Austria Kärnten sind Beispiele für das machtpolitisch „geschlossene System“ der Landeshauptmannpartei. Es scheint niemand aus der Geschichte bzw. aus der Physik gelernt zu haben. Dem Gesetz der Kybernetik nach haben „geschlossene Systeme“ auf Dauer keine Überlebenschance. Monocolore politische Kulturen, die das interne Korrektiv und die äußere Kontrolle abstellen, zerbrechen an sich selbst.
Blickpunkt 211 am 17. Jänner 2008