Österreichs Athleten haben also bei den Olympischen Sommerspielen in London keine einzige Medaille geholt. Der deutschen Bild-Zeitung war dies eine Randbemerkung wert: „Die Olympia-Dösis. Was hat Österreich mit Togo, Costa Rica und Albanien gemeinsam? Richtig! Alle Länder haben bei den Olympischen Spielen keine Medaillen geholt.“ Nur zur Ehrenrettung Österreichs sei erwähnt, dass wir letztmalig 1964 keine Olympiamedaille errungen haben, die in London ebenso erfolgreichen deutschen Beckenschwimmer haben erstmals seit 80 Jahren kein Edelmetall errungen.
Österreichs Sommersportler als Olympiatouristen, unser Land quasi als sportliche „Bananenrepublik“ geadelt, die Wahrheit ist leider viel bitterer. Österreich ist in Sachen Sport (ausgenommen ist wohl nur der Schisport, sowohl bei den Alpinen als auch bei den Springern) keine „Bananenrepublik“, nein sie ist eine Bananendiktatur.
Unser alpenländisches Sportsystem ist auf Vereinen aufgebaut, jenen gemeinnützigen, rechtlich abgesicherten Konstruktionen, die im Namen des Sports jahrzehntelang Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge verkürzt haben nur um irgendwelche, vermeintliche „Stars“ zu finanzieren, semiprofessionelle Bewegungsartisten, die den rührigen, ehrenamtlichen Funktionären, das nie und nimmer refinanzierbare Geld aus der Tasche gezogen haben ohne rot dabei zu werden. Unser Sportsystem, das sind auch Vereine, die als parteipolitische Vorfeldorganisationen konstruiert sind und dazu noch von parteipolitischen Dachverbänden (der ASVÖ ist davon „offiziell“ ausgenommen) kontrolliert werden und auch für parteipolitische Zwecke ständig missbraucht werden.
Ich erinnere mich mit Schaudern als noch Olympiateams nach dem (Union und ASKÖ) Proporzsystem nominiert wurden. Und da gab es auch noch einen SPÖ-Gesundheitsminister, einen Kärntner, der einen ASKÖ-Verein dazu vergatterte doch noch einen roten Kandidaten zur Wahl des Kärntner Handballpräsidenten aufzustellen, da der Kärntner Handballverbandes in roter Hand bleiben muss.
Wie das System der politischen Parteien in Österreich ist auch der Sport in seinen Strukturen nicht mehr zeitgemäß und bedarf dringender Reformen.
Es ist schon eine Pikanterie am Rande, dass wenige Tage bevor unsere Olympioniken medaillenlos von den britischen Inseln zurückkehrten, der Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) Heinz Jungwirth wegen Veruntreuung in erster Instanz (Urteil noch nicht rechtskräftig, es gilt selbstverständlich noch immer die Unschuldsvermutung) zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Für die weniger gelernten Österreich nur als Anmerkung: Die Spitzenpositionen von ÖOC und BSO (das ist die Bundessportorganisation) werden meist nach dem Proporzsystem parteipolitisch besetzt, dies ist ein zusätzlicher Beweis dafür: die Politik diktiert den Sport in Österreich.
Und überall wo die Politik unnötiger Weise die Hände im Spiel hat wird Murks gebaut, nicht nur bei verstaatlichten Betrieben und den Banken, wie die letzten Jahren leider bewiesen haben.
Wie ahnungslos die Politik in Sachen Sport ist beweist wohl das Denkmal der politischen Dummheit, das anlässlich der Fußball Europameisterschaft 2008 in Klagenfurt erbaute Fußballstadion. An die 100 Millionen Euro hat dieser Pfusch gekostet. 100 Millionen die man besser anders in den österreichischen Sport hätte stecken können. In sinnvolle Trainings- und Wettkampfanlagen die von Sportlern auch frequentiert und genutzt werden. Das „Scheucher-Mausoleum“ in Klagenfurt beherbergt derzeit einen Drittdivisionär, der vor ein paar Hundert unentwegten Fans kickt. Nur bei Kongressen der Zeugen Jehovas und bei Konzerten von Herbert Grönemeyer, nicht aber bei Fußball-Länderspielen, ist die unnötige „Hütte“ voll. Das versprochene und auch geplante Ballsportkompetenzzentrum im EM-Stadion bleibt nur mehr ein Wunschtraum von unverbesserlichen Optimisten.
Obwohl alljährlich Millionen in den Sportstättenbau in Österreich gepulvert werden, allein die Nachhaltig fehlt, oder will mir jemand einreden, dass das extra für die alpinen Schi-Weltmeisterschaften in Schladming 2013 gebaute Stadion längerfristig und nachhaltig wirtschaftlich genutzt werden kann? Es kostete ja nur einen zweistelligen Millionenbetrag.
Während die sogenannten Randsportarten und auch der Schulturnunterricht oft in miefigen, kleinen Gymnastikhallen ausgeübt werden müssen, errichtet man Prunkbauten für punktuelle Ereignisse, deren Nachnutzung nicht gegeben ist.
Die österreichische Olympiapleite nur am planlosen Sportstättenbau der Politik festzumachen, trotz des unnötigen Verbrennens von Steuergeldern, ist aber nur die halbe Wahrheit.
Noch immer werden der Sportlehrer und der Trainer nicht als vollwertiger Berufe mit entsprechender Ausbildung angesehen. Viele ahnungslose Vereinsfunktionäre vertrauen lieber fremdländischen Pfuschern als Übungsleitern, deren wahre sportliche Meisterschaft meist nur im Abkassieren besteht.
Es hat sich zwar viel geändert in den letzten Jahren in der Traineraus- und Weiterbildung, doch lieber wird in fertige Spieler und Sportler investiert als in gut ausgebildete Trainer, die den eigenen Nachwuchs an sportliche Spitzenleistungen heranführen.
Noch schlimmer ist die Bestandsaufnahme beim Turnunterricht. „Wer ist verantwortlich für die Idiotie, dass Kinder und Jugendliche in ihrem natürlichen Bewegungsdrang durch Lernpläne und Unterrichtsmodelle eingeengt werden, sie täglich mehrere Unterrichtstunden still verharren müssen und nur zwei, maximal drei Stunden pro Woche Leibeserziehung genießen können? Mit Abscheu erinnere ich mich an die Lehrpläne für den Turnunterricht vor 30 Jahren in der Ausbildung zum Volksschullehrer. Und diese „Pädagogen“ werden heute noch auf unsere Kinder losgelassen.
Es freut mich wenn jetzt plötzlich Politiker wie Landeshauptmann Gerhard Dörfler, die Abschaffung der Dachverbände, die Entpolitisierung des Sports und die Einführung der täglichen Bewegungsstunde in den Schulen fordert, aber damit wird noch nicht viel erreicht.
Österreichs Sportsystem ist krank und gehört von Grund auf geändert, wobei kein Thema tabu sein darf. Auch die Organisation des Sports in Vereinen muss überdacht werden. Wer hat die Aufgabe und die Möglichkeit Kinder für gesunde Bewegung zu begeistern, ihnen die Chance zu geben sich sinnvoll unter fachlicher Aufsicht und Anleitung zu bewegen?
Es wird auch Zeit sich endlich mit den Definitionen zu beschäftigen. Was ist Sport? Verstehe ich darunter Bewegung, Gesundheitssport, Hobbysport, Breitensport, Leistungssport, Spitzensport oder Akrobatik und Showbusiness? Es müssen neue Strukturen geschaffen werden, aber auch Differenzierungen.
Zu klären ist auch wie wird das Ganze finanziert? Wer zahlt die Sportstätten? Wer finanziert die Trainer? Wie können die Wettkampfkosten erwirtschaftet werden? Welchen Teil davon hat die öffentliche Hand zu tragen? Da haben wir drei Dachverbände, aber ich habe in den letzten fünfzig Jahren nicht einen wirklich diskussionswürdigen Beitrag von dieser Seite zu diesen Themen gehört. Doch wahrscheinlich hatten sie zu viel zu tun um Toto-Gelder mit der Gießkanne zu verteilen oder Nationalteams und Olympiaauswahlen proporzmäßig zu beschicken und sich die hohen Funktionen gegenseitig zuzuschanzen.
Ach ja, noch eine kleine Schlussbemerkung. Bei internationalen Sportgroßereignissen wie Olympischen Spielen und diverse Weltmeisterschaften werden alljährlich Millionen bewegt, die Großteils von Freiwilligen erwirtschaftet werden, sonst wären solche Events überhaupt nicht möglich. Den Millionen-Gewinn stecken immer die Fachverbände ein, wie der skandalgeschüttelte Fußballweltverband FIFA. Und wer eine Antwort darauf haben will warum FIFA, UEFA (Europäischer Fußballverband), IOC (Internationales Olympisches Komitee und 60 weitere internationale Sportfachverbände ausgerechnet in der Schweiz beheimatet sind muss nur den Anti-Korruptions-Experten Mark Pieth, den Ordinarius für Strafrecht an der Universität Basel, fragen. „In der Schweiz werden diese Institutionen wie gemeinnützige Vereine behandelt, ihre Funktionäre fallen nicht unter das Bestechungsrecht, können nicht bestraft werden.“
Nicht nur in Österreich gibt es in Sachen Sport Einiges zu bereinigen.
Autor: Gerhard Klinger
akademisch ausgebildeter Sportwissenschaftler, staatlich geprüfter Handballtrainer (A-Lizenz)
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